Im Einsatz für die Seenotretter

Die OTTO DIERSCH wird ein Jahr – Ein Besuch der DGzRS-Station Norddeich bei Vormann Marcus Baar


Bei der Schiffstaufe am 5. Oktober 2020 übergab Ingeborg Karstedt das Seenotrettungsboot OTTO DIERSCH mit den Worten „Ich wünsche Dir allzeit gute Fahrt und stets eine sichere Heimkehr“ Seiner Bestimmung. Und fügte dann, vielleicht ein bisschen wehmütig, hinzu: „Mach’s gut, mein Jung“.


Ingeborg und Bernd Karstedt, Enkel des Firmengründers Otto Diersch, mit der Besatzung der OTTO DIERSCH bei der Schiffstaufe in Bremen (c): Die Seenotretter – DGzRS
Der Moment der Taufe: Ingeborg Karstedt gibt SRB 78 den Namen ihres Vaters: OTTO DIERSCH.

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Die heute 94-jährige Taufpatin ist die Tochter unseres Firmengründers Otto Diersch, in dessen Namen Familie Karstedt zum 100-jährigen Firmenjubiläum von Diersch & Schröder ein Seenotrettungsboot an die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) spendete.

„Wie eine Familie erlebt auch die Besatzung eines Seenotrettungsbootes bei ihren Einsätzen große Freude und tiefes Leid“, sagte Bernd Karstedt, Enkel des Firmengründers, über das Engagement seiner Familie. „Dennoch geben die Seenotretter nie die Hoffnung auf und wissen, dass es immer wieder von neuem wichtig ist, den Einsatz zu wagen. Das imponiert uns. Diese Haltung stimmt mit den Werten unserer Familie überein.“

Die Feuertaufe

Am 5. Oktober 2021 ist die OTTO DIERSCH nun seit einem Jahr im Einsatz. Wir wollten wissen, wie sich das neue Seenotrettungsboot macht. Von der DGzRS erfahren wir, dass die OTTO DIERSCH bereits gut zwei Wochen nach der Taufe ihre ersten Einsätze erfolgreich absolvierte:

„Der freiwillige Vormann Marcus Baar saß gerade beim Abendbrot, als gegen 18.10 Uhr sein Diensttelefon klingelte. Am Apparat: der Kapitän des Krabbenkutters „Roswietha“. Er und sein Decksmann benötigten dringend die Hilfe der Seenotretter aus Norddeich. Nachdem sich ein Stück vom Netz im Propeller verfangen hatte, trieben sie etwa fünf Seemeilen (rund neun Kilometer) nördlich ihres Heimathafens Norddeich bei ablaufendem Wasser manövrierunfähig auf eine Sandbank zu. Marcus Baar reagierte sofort, denn als Fischer weiß er um die Gefahr einer solchen Situation. Bereits kurz nach der Alarmierung liefen er und zwei Kollegen mit dem frisch getauften Seenotrettungsboot OTTO DIERSCH zum Havaristen aus.

Als die freiwilligen Seenotretter zwanzig Minuten nach dem Anruf vor Ort eintrafen, war der fast 19 Meter lange Stahlkutter schon auf der Sandbank festgekommen. Schnell stellten sie eine Leinenverbindung her und zogen die „Roswietha“ mit der geballten Kraft der 380 PS starken Maschine des Seenotrettungsbootes OTTO DIERSCH in tieferes Wasser. Mit ihrer schnellen Reaktion verhinderten sie Schlimmeres. Anschließend schleppten die Seenotretter den Krabbenkutter bei südwestlichem Wind um fünf Beaufort (bis zu 38 km/h) mit den beiden Fischern an Bord nach Norddeich.“

(c): Die Seenotretter – DGzRS, Peter Palkowski

Vormann Marcus Baar war nach dem Einsatz überaus zufrieden mit der Leistungsfähigkeit der OTTO DIERSCH: „Unser neues Seenotrettungsboot ist ein wahres Kraftpaket und hat sich hervorragend bewährt. Sie ist ausgesprochen seetüchtig und hat ganz hervorragende Fahreigenschaften“, beschreibt er seine Erfahrungen. Der Neubau ist etwas größer als sein Vorgänger. „Wir können Schiffbrüchige, Erkrankte und Verletzte jetzt noch besser transportieren und an Bord medizinisch versorgen“, betont Baar.

Ein Leben lang auf See: Marcus Baar ist freiwilliger Vormann auf der OTTO DIERSCH
©: Diersch & Schröder GmbH & Co. KG – Svenja Krause

Wie alle Einheiten der Seenotretter sind die neuen Seenotrettungsboote als Selbstaufrichter konstruiert und dadurch außerordentlich seetüchtig, so dass Rettungseinsätze bei jedem Wetter und unter allen Seegangsbedingungen möglich sind. Der starke Schiffsdieselmotor ist nicht nur ein zuverlässiger Antrieb, sondern verleiht dem Boot außerdem genügend Leistung, um auch größere Schiffe aus Gefahrenbereichen zu schleppen. Durch den geringen Tiefgang von 0,96 Meter sind die Boote ideal geeignet auch für Flachwassereinsätze im Wattenmeer. Wo die OTTO DIERSCH nicht mehr fahren kann, kann man praktisch zu Fuß gehen.

Selbstaufrichter
Sollte das Seenotrettungsboot tatsächlich einmal durchkentern, sorgt die Selbstsaufrichtefähigkeit dafür, dass den Seenotrettern eine sichere Plattform zur Verfügung steht, um selbst nicht in Lebensgefahr zu geraten. Andere zu retten, ist dann voraussichtlich kein Thema mehr. Zugleich sorgt die Selbstaufrichtefähigkeit für hohe Seetüchtigkeit im Einsatz. Nur die Verbindung zwischen Kentern und Einsatzfähigkeit sollte so kausal nicht gezogen werden.

Die OTTO DIERSCH ist ein 10,1 Meter langes und 380 PS starkes Seenotrettungsboot der jüngsten Generation. ©: Diersch & Schröder GmbH & Co. KG – Svenja Krause

Die Seenotretter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in Kürze:

  • 55 Stationen zwischen Borkum im Westen und Usedom im Osten
  • rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote
  • 1.000 Seenotretter, davon mehr als 800 Freiwillige
  • einsatzbereit bei jedem Wetter, rund um die Uhr
  • Jahr für Jahr rund 2.000 Einsätze auf Nord- und Ostsee
  • koordiniert durch die SEENOTLEITUNG BREMEN der DGzRS
  • seit der Gründung 1865 rund 85.600 Gerettete
  • finanziert ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen, ohne Steuergelder

Spendenkonto: IBAN: DE36 2905 0101 0001 0720 16, BIC: SBREDE22, Sparkasse Bremen

Mehr Informationen: www.seenotretter.de, E-Mail: info@seenotretter.de

Rund 15 freiwillige Seenotretter sind auf der Station Norddeich jederzeit zum Einsatz mit der OTTO DIERSCH bereit. Ihr Revier ist das Wattenmeer zwischen dem ostfriesischen Festland und den vorgelagerten Inseln Juist, Norderney und Baltrum. „Zehn Minuten nach der Alarmierung sind mindestens drei bis vier Freiwillige an der Station, und nach spätestens 15 Minuten laufen wir aus,“ berichtet Marcus Baar. Daher sei es auch wichtig, dass die freiwilligen Seenotretter möglichst aus der direkten Umgebung kommen oder in der Nähe des Hafens arbeiten. 

Als Vormann liegt es an Baar, vor allem sicherzustellen, dass trotz Urlaubs- und Arbeitszeiten immer genügend freiwillige Seenotretter verfügbar sind, um im Notfall hinauszufahren. Keine leichte Aufgabe, da er selber als Fischer auf einem Muschelkutter oft tagelang auf See ist – aber dann selbstverständlich entsprechende Vertreter hat. „Das A und O sind die rüstigen Rentner“, so Marcus Baar. „Die halten die Station am Laufen, wenn andere nicht verfügbar sind.“

Der Begriff Vormann stammt noch aus der Zeit der Ruderrettungsboote. Da war der Vormann, der einzige, der nach vorne schaute, während die anderen Einsatzkräfte ruderten, der deshalb die Gefahren kommen sah und richtig einschätzen musste, also die Verantwortung für seine Besatzung hatte. „Heute sagt man auch Stationsleiter dazu“, erklärt Baar seine Funktion.

Für Marcus Baar ist der Einsatz für die Seenotretter Traditions- und Familiensache. Er selbst ist seit fast 20 Jahren dabei. Auch sein Vater ist noch heute aktiver Rettungsmann und sein Neffe mit 26 Jahren der jüngste Seenotretter auf der Station. Nachwuchs zu finden sei eine ständige Herausforderung, so Baar, da die Freiwilligen schnell vor Ort sein können müssen und am besten auch noch einen Bezug zur See haben sollten.

Seenotrettungsboot OTTO DIERSCH der Station Norddeich auf Kontrollfahrt zwischen Norderney und Norddeich (c): Die Seenotretter – DGzRS, Peter Palkowski

Neben den Rettungseinsätzen kann man die OTTO DIERSCH oft auf Kontrollfahrten beobachten. Diese dienen der Übung sowie der Auffrischung und Festigung der Revierkenntnisse der freiwilligen Seenotretter. Ständiges Training ist wichtig für den Einsatz bei jedem Wetter und rund um die Uhr. „Wir kontrollieren zum Beispiel, wie sich Priele verändern, damit wir im Ernstfall schnell vor Ort sein können, auch dort wo kein reguläres Fahrwasser ist“, berichtet Baar. Zudem absolvieren die Freiwilligen regelmäßige Erste-Hilfe-Fortbildungen und verschiedene andere Lehrgänge im eigenen Trainingszentrum der Seenotretter.

Lange Tradition der Seenotretter in Norddeich

Auf der Station Norddeich treffen sich Tradition und Moderne: Auf der einen Seite des Deichs ist der historische Rettungsschuppen noch erhalten, auf der anderen Seite liegt das moderne Spezialboot OTTO DIERSCH.

Norddeich zählt zu den ältesten Stationen der Seenotretter. Bereits 1886, vor mehr als 130 Jahren, errichtete die DGzRS in der Nähe des Fährhauses einen Rettungsschuppen für ein Ruderrettungsboot. Er war bis 1930 in Betrieb. Seit Wiedereinrichtung der Station 1990 sind in Norddeich moderne Seenotrettungsboote stationiert. Die OTTO DIERSCH ist nach der NORDDEICH, der CASSEN KNIGGE und der WILMA SIKORSKI die vierte Rettungseinheit.

Die OTTO DIERSCH ist mit modernster Navigationstechnik, leistungsstarken Schlepp- und Lenzgeschirren sowie einer umfangreichen Ausrüstung zur medizinischen Erstversorgung ausgestattet.